Die 5 Kernfragen zum Mitarbeitergespräch (Gastbeitrag)

Editorial von Andreas Mollet

Mir ist es ein Anliegen, Anfragen von Studierenden immer persönlich zu beantworten. Meistens handelt es sich um ein kurzes Interview oder ein kurzes Sparring zu einem Fachartikel von mir. Doch teilweise ergeben sich daraus auch Kontakte, die über einen einmaligen Austausch hinausgehen und meinen Arbeitsalltag bereichern. Umso mehr freue ich mich, dass Oliver Wolf sich die Zeit genommen hat, einen kurzen Abstract seiner Masterarbeit hier auf dem Blog zu veröffentlichen, denn schliesslich verbindet uns ein grosses Ziel: Moderne, entwicklungs- und mehrwertstiftende Mitarbeitergespräche. Danke Oliver!


Dies ist ein Gastbeitrag von Oliver Wolf

Die 5 Kernfragen zum Mitarbeitergespräch

Meine Masterarbeit behandelt das Thema Mitarbeitergespräch, genauer gesagt die Fragestellung, wie mein damaliger Arbeitgeber dieses wertschöpfend weiterentwickeln kann. Mit Hilfe von Experteninterviews wollte ich herausfinden, wie es andere anders oder allenfalls besser machen. Dafür habe ich Unternehmen ausgewählt und angefragt, die den Gesprächsprozess auffallend stark verändert haben oder sogar – gemäss ihren eigenen Angaben – vom jährlichen Mitarbeitergespräch abgekommen sind.

Kein Unternehmen hat den Gesprächsprozess tatsächlich abgeschafft, dies vorweg. Es war aber klar zu erkennen, dass ein Grossteil der befragten Fachpersonen die Ineffizienz der bisher durchgeführten Mitarbeitergespräche, welche den Hauptfokus auf die Beurteilung der in der Vergangenheit geleisteten Arbeit legten, durch einen zukunftsgerichteten und auf Augenhöhe stattfindenden Dialog ersetzen wollten. Zudem versuchten viele den Prozess an die Unternehmenskultur anzupassen. Leider aber hatte kein Unternehmen den Mut, wirklich einschneidende Anpassungen zu vollziehen oder noch besser, ganz im Sinne von «weniger ist manchmal mehr», auf grundlegende Inhalte zu verzichten.

Auch ich bin der Meinung, wie viele andere Fachpersonen auch, dass es kein Rezept für «das richtige Mitarbeitergespräch» gibt. Ein solches sollte tatsächlich zur Unternehmenskultur passen und entsprechend auch entwickelt werden. Dennoch bin ich der felsenfesten Überzeugung, dass trotz der nötigen Individualität, bestimmte Entscheidungen bei der Weiterentwicklung des Mitarbeitergesprächs zwingend getroffen werden müssen, will ein Unternehmen ihre Mitarbeitenden effektiv weiterentwickeln und sie auf eine sich schnell veränderte Zukunft vorbereiten.

Die folgenden Fragen sollen helfen, Entscheidungen zu treffen, mit denen meiner Meinung nach die höchstmögliche Wertschöpfung aus den Mitarbeitergesprächen gewonnen werden kann.

1. Was ist das Ziel des Mitarbeitergesprächs?

Viele Unternehmen sehen das Mitarbeitergespräch als ein Werkzeug, mit dem die Leistung oder auch Kompetenzen beurteilt sowie Entwicklung besprochen und Ziele vereinbart werden sollen. Am besten erfolgt gleich noch eine Potenzialeinschätzung und zum Schluss soll die Führungskraft der oder dem Mitarbeitenden zusätzlich noch allgemeines Feedback geben – umgekehrt natürlich auch. Leider lassen sich alle diese Ziele in einem einstündigen Gespräch – und wahrscheinlich würden auch zwei Stunden nicht ausreichen- unmöglich erreichen. Ausserdem sind einzelne dieser Gesprächsziele nicht mit anderen vereinbar. So ist es problematisch, einer Person Feedback zu geben, welches subjektiv erfolgen sollte, wenn anschliessend die Leistung derselben Person objektiv beurteilt werden muss. Folglich sollten sich Unternehmen entscheiden, welches das wirkliche Ziel des Mitarbeitergesprächs sein soll: Objektive Leistungsbeurteilung, subjektives Feedback oder doch Entwicklungs- oder Zielvereinbarungsgespräch?

2. Starre Leistungsbeurteilung oder konstruktive Rückmeldung?

Dass ein Grossteil von Unternehmen noch heute die Leistung von uns Mitarbeitenden mit «Noten» beurteilt ist nicht weiter tragisch, wir sind es uns mittlerweile gewöhnt – schliesslich werden wir seit unserer Schulzeit benotet. Schade ist nur, dass diese Beurteilung zwar nicht weh tut, sie hilft aber leider auch nicht. Wie bereits unter Frage eins aufgeführt, kann auf ein subjektives Feedback keine objektive Beurteilung folgen. Wenn nämlich nach einem konstruktiven Feedback eine Note in Form einer Zahl oder eines Buchstaben folgt, können wir Menschen das in Worte gefasste Feedback schwierig aufnehmen, geschweige denn verarbeiten. Die Note beschäftigt uns zu sehr, sie zieht die Aufmerksamkeit auf sich, lenkt ab, verwirrt uns und hindert uns zu reflektieren.

Das zweite Problem mit der starren Leistungsbeurteilung ist, dass viele Menschen glauben, die Begabung und Intelligenz, mit der wir geboren wurden, sei statisch. Wir Menschen entwickeln und lernen aber ein ganzes Leben lang. Dies aber nur, wenn wir durch eine starre Denkweise, welche durch die Leistungsbeurteilung verstärkt wird, geistig nicht gelähmt werden. Mit konstruktivem Feedback kann die Wachstumseinstellung bezüglich unserer Fähigkeiten jedoch gefördert werden. Das ist wie beim Klavier spielen, wenn man die Mühen des täglichen Übens mit der Fähigkeit assoziiert, sich zu verbessern. Als Unternehmen und damit Führungskraft muss ich darum verhindern, dass meine Mitarbeitenden nicht mit der fixen Einstellung zur Arbeit kommen, ihre Fähigkeit, beispielsweise kreativ zu sein, sei nicht vorhanden, ich muss den Glauben fördern, dass sie sich verbessern können.

3. Wie oft soll das Mitarbeitergespräch stattfinden?

Unternehmen, die das Ziel verfolgen, mit Hilfe des Mitarbeitergesprächs die Leistung der Mitarbeitenden zu beurteilen, indem sie Ende Jahr ein paar Noten verteilen, können getrost bei einem Gespräch pro Jahr bleiben. Die Vorbereitung auf diese statischen Gespräche verschlingen gemessen am Nutzen ohnehin unverhältnismässig grosse zeitliche Ressourcen, ein zweites «Beurteilungsgespräch» wäre zeitlich gar nicht möglich. Wenn wir uns aber tatsächlich für das konstruktive Gespräch entscheiden, bei welchem gegenwärtige Schwierigkeiten bei der Arbeitsausführung betrachtet, Fehler analysiert, daraus Prozesse optimiert und Entwicklungsschritte geprüft werden können aber auch Lob ausgesprochen und auch das Verhalten diskutiert werden kann, dann reicht ein Gespräch pro Jahr ganz sicher nicht. Rückmeldungen zu den aufgeführten Themen wirken nur, wenn diese zeitnah erfolgen. Verbesserungspotenzial, aber auch Lob muss öfters und konkret ausgesprochen werden. Diese Form von unmittelbarer Rückmeldung, auch «Instant Feedback» genannt, steht im extremen Gegensatz zum jährlichen Mitarbeitergespräch und gehören zur Aufgabe einer jeden Führungskraft. Ob diese Gespräche jede Woche, jeden Monat, quartalsmässig oder auch gar nicht in regelmäßigen Abständen geführt werden, soll eine jede Führungskraft selbst entscheiden, Hauptsache die Gespräche werden wiederkehrend und vor allem zeitnah nach «Ereignis» geführt.

4. Ist das Mitarbeitergespräch für Zielvereinbarungen geeignet?

Keine Mitarbeiterin, kein Mitarbeiter – und seien sie noch so gut – kann allein die ganz grossen Ziele erreichen. Ausserdem ist es ein Irrglaube, dass Menschen unter Druck stehen müssen, um gute Leistungen zu erbringen. Unter den richtigen Voraussetzungen braucht es keine Zielvorgaben. Jede oder jeder Mitarbeitende weiss ganz genau, was seine Aufgabe ist, was er zu tun hat. Bei genauerem Beobachten kann man in vielen Unternehmen erkennen, dass Ziele zuliebe des Zielvereinbarungsprozesses vereinbart werden, immer darauf bedacht, dass diese bei der eigentlichen Arbeit nicht stören. Jahr für Jahr werden für jede oder jeden einzelnen Mitarbeitenden Ziele aus den Fingern gesaugt, mühsam und möglichst messbar definiert, aufwendig festgehalten, überprüft und währende dem Jahr oft wieder angepasst. Der Zielvereinbarungsprozess ist ein Aufwand, welcher sich ganz einfach nicht lohnt. Hingegen verbindet ein Team nichts mehr als eine gemeinsame Mission. Je mehr die Mitarbeitenden an einer gemeinsamen Sache teilhaben, desto mehr wird die Gruppe eine zutiefst befriedigende und überragende Leistung erbringen. Deshalb sollten Ziele auch nur innerhalb einer Gruppe als gemeinsames Ziel definiert werden.

5. Soll in einem Mitarbeitergespräch die Entwicklung besprochen werden?

Um es vorwegzunehmen, meiner Meinung nach ist die Entwicklung einer oder eines Mitarbeitenden das primäre Ziel eines jeden Mitarbeitergesprächs – nichts anderes! Ob wir uns über Fehler, vergangene Leistung, zukünftige Arbeitstätigkeit, Verhalten oder spezifisches Verbesserungspotenzial unterhalten, am Ende des Gesprächs soll die oder der Mitarbeitende doch einen möglichst grossen Nutzen aus dem Gespräch ziehen, um sich zu verbessern, weiterzuentwickeln und folglich damit dem Unternehmen noch mehr Wertschöpfung bringen. Alle Spitzenathletinnen haben einen Coach, niemand von ihnen trainiert sich selbst. Wir, die im Arbeitsleben stehen, haben jedoch meist das Gefühl, wenn überhaupt, ein bisschen Weiterbildung an einer Fachhochschule oder «on the job» reicht, um auf dem neusten Stand zu bleiben. Wir lernen besser und schneller mit einer anderen Person auf unserer Seite und genau hier muss das Mitarbeitergespräch greifen. Und nochmals, wenn es um die Weiterentwicklung von Menschen geht, reicht ein jährliches Gespräch ganz einfach nicht aus. Mitarbeitende brauchen Rückmeldung zu ihrer Arbeitstätigkeit, sie brauchen Unterstützung zur Reflexion, zwingend mit Blick in die Zukunft und vor allem wiederkehrend – von ihren Führungskräften aber am besten auch von den Kolleginnen und Kollegen.

Fazit

Wie bereits erwähnt, es gibt keine «Standardlösung» für die Einführung oder Weiterentwicklung eines Mitarbeitergesprächs. Es gibt mittlerweile aber genug empirische Forschung die nachvollziehbar aufzeigt, dass komplexe jährliche Gesprächsprozesse und willkürliche Beurteilungsverfahren, den in der heutigen Arbeitswelt sich schnell veränderten Anforderungen nicht gerecht werden. Gespräche müssen ungezwungen, auf Augenhöhe und zeitnah erfolgen. Je öfters und zielgerichteter Gespräche unter dem Jahr stattfinden, desto weniger muss Ende Jahr besprochen werden, wenn überhaupt.

 

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Bild von Mohamed Hassan auf Pixabay

Oliver Wolf

Über Oliver Wolf

Seine Hauptthemen: People and Culture Management, speziell die Führungs- und Personalentwicklung, das Performance Management, die Selbstorganisation, Transformationen und Veränderungsprozesse, Unternehmenskulturen, die Eignungsdiagnostik/Personalauswahl oder ganz einfach kurz zusammengefasst: Der Mensch und seine Arbeit.

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