Debatte: Talentmanagement – quo vadis?

Debatte: Talentmanagement - quo vadis?

Der Beitrag ist in der «personalSCHWEIZ» vom Dez 2024 / Jan 2025 erschienen

  • Ist die klassische Vorstellung einer Fokussierung auf ausgewählte Talente im Unternehmen noch haltbar?
  • Sichern elitäre Talentpools den Organisationen die Nachfolge von Schlüsselpositionen?
  • Oder sollte der Prozess endlich neu gedacht werden?

Darüber debattieren Claudia Caliesch, Alexander Beck und Andreas Mollet.

«Es ist nicht mehr zeitgemäss, Talente für zukünftige Einsätze auf der Ersatzbank in Reserve zu halten.»

Andreas Mollet

Andreas Mollet

Das klassische Talentmanagement mit elitären Talentpools, geheimen Afterwork-Sessions und Kamingesprächen mit dem C-Level hat ausgedient. Es ist schlicht nicht mehr zeitgemäss, Talente für zukünftige Einsätze auf der Ersatzbank in Reserve zu halten. Zumal viele Organisationen sich gleichzeitig beklagen, nicht valable Kandidaten zu finden. Dadurch verlieren alle: Die Talente können sich nicht konkret beweisen, und die Unternehmen verschenken mögliches, wertvolles Potenzial.

Vielmehr sind Mut, psychologische Sicherheit und eine funktionierende Fehler- und Lernkultur die «Live-Programme» für unsere aktuellen und zukünftigen Talente. Wenn Talente ihre Kompetenzen als Wirkung einbringen und Kompetenzentwicklung on the Job stattfindet, dann bringt das die Talente und Unternehmen gleichermassen schneller und zielgerichteter vorwärts. In einer Tätigkeit oder Rolle zu wachsen – statt sich in einem langen Prozess in eine mögliche Position hineinzuentwickeln –, ist in der heutigen schnelllebigen Zeit das Merkmal von modernen Organisationen und Laufbahnprozessen.

Natürlich erfordert dies, dass sich Talente und Unternehmen gemeinsam auf diese Reise einlassen und sie gemeinsam gestalten. Mit gezielter, individueller Unterstützung und dem Fokus auf aktuellen Herausforderungen, Fragestellungen und Lernfeldern, denn Talente sind individuell.

Entscheidend ist im Talentmanagement aber vor allem, dass definiert und klar ist, was ein Talent ausmacht. Nicht Ausbildungen, Erfahrungsjahre, Alter, Hierarchiestufen oder Diplome sind entscheidend, sondern die Kompetenzen und die Entwicklungspotenziale, welche ein Talent mitbringt. Ein modernes Talentmanagement ist daher auch nicht eine Belohnung oder Wertschätzung für Mitarbeitende. Vielmehr ist es der Ansatz, um Stärken und Potenziale von Mitarbeitenden für den Erfolg von Unternehmen zu nutzen. Denn wir alle haben Talente und Kompetenzen, welche gefördert und erschlossen werden wollen. Talente auf der Ersatzbank zu belassen, birgt dazu die grosse Gefahr, dass diese wechseln, während wir die Entwicklungskosten getragen haben. Zumindest hat sich das Talentmanagement dann gelohnt, wenn auch für ein anderes Unternehmen.

Andreas Mollet ist Geschäftsleiter der INOLUTION (inolution.com). Er unterstützt Unternehmen und Organisationen darin, Kompetenzen, Werte und Performance nutzbar zu machen, für kompetente Mitarbeitende heute, morgen und übermorgen. Seine Erfahrung bloggt er regelmässig auf kompetenz-management.com.

«Schwerfällige Talentprogramme sind nicht zielführend.»

Claudia Caliesch

Claudia Caliesch

Um nachhaltig erfolgreich zu sein, ist das Weiterentwickeln und Fördern von Kompetenzen sowie Fähigkeiten essenziell. Wie wir es nennen, spielt aus meiner Sicht keine Rolle – «tun» müssen wir es. Wir stehen im starken Wettbewerb und können nur mit den «besten Kolleginnen und Kollegen» langfristig erfolgreich sein. Sprechen wir bei 4B von Talentmanagement, konzentrieren wir uns nicht auf einzelne Personengruppen, sondern trainieren Fähigkeiten und Kompetenzen, welche die Strategie stützen. Mit der Gründung 4B Campus setzten wir ein klares Zeichen für eine lernende Kultur.

Es gilt, das Wissen gezielt zu vermitteln und gemeinsam zu lernen. Im Hinblick auf die demografische Entwicklung, die gestiegene Wechselbereitschaft auf dem Arbeitsmarkt und neue Kompetenzen der Zukunft sehe ich es als erfolgsrelevant, das Wissen in der Firma zu halten. Möglichkeit zur Entwicklung bindet und verbindet Menschen mit Organisationen.

Wie gelingt uns dies als Unternehmung? Schwerfällige Talentprogramme sind wenig dynamisch und aus meiner Sicht nicht zielführend. Zentral finde ich die agile Anpassungsfähigkeit der Firmen und die Einstellung der jeweiligen Mitarbeitenden. Als moderne Arbeitgeberin können wir die Lernkultur fördern und geeignete Angebote offerieren. Der Fokus sollte auf den Schlüsselfähigkeiten liegen, welche jede Unternehmung für eine erfolgreiche Zukunft braucht.

Ich bin überzeugt, dass die innere Haltung und das Miteinander (soziale Kompetenzen) der Schlüssel sind für einen langfristigen Erfolg eines Unternehmens. Wenn die Einstellung stimmt, entstehen eine gesunde Teamdynamik und daraus die unglaublichsten Leistungen – ein Talentdevelopment sollte darauf einwirken.

Eine zentrale Verantwortung, wenn es um die Entwicklung von Kompetenzen geht, liegt bei den Führungskräften. Stimmt deren «Mindset» nicht, kann kein initiiertes Talentmanagement funktionieren. Sie sind unsere Multiplikatoren, um die vermittelten Kompetenzen nachhaltig in Unternehmen zu verankern. Zurück zum Anfang: Welche Fähigkeiten machen eure Mitarbeitenden zu «den Besten» und sichern in euren Unternehmen nachhaltig den Erfolg?

Claudia Caliesch, Leiterin Human Resources bei der 4B AG, ist seit über 16 Jahren in leitenden HR-Funktionen tätig. Sie positioniert das HR als businessnahe und strategisch agierende Funktion im Unternehmen – immer mit dem Fokus auf den Unternehmenserfolg.

«Talentmanagement erfordert langfristiges Denken und Investitionen.»

Alexander Beck

Alexander Beck

Aktuelle Talentmanagement-Konzepte sind meiner Meinung nach in der Praxis aus verschiedenen Gründen gescheitert. Denn sie wurden damals als «HR-Marketingtool» entwickelt, um die internen «Besten» zu fördern. Aber die Zeiten haben sich geändert. Heute ist ein dem Zeitgeist angepasstes und ganzheitliches Talent- und Retentionsmanagement gefragt. Leider ist mir bei der Arbeit mit verschiedenen KMU selten ein konsistentes und operativ wirksames Konzept begegnet, welches der Organisation einen echten Mehrwert geliefert hat.

Warum sind die bisherigen Talentmanagement-Konzepte gescheitert?

Aus meiner Sicht sind die folgenden Ursachen dafür verantwortlich, dass die Talentmanagement-Konzepte in der Praxis nicht «zum Fliegen» kommen. Hier ein «Best-of»:

  1. Fehlende strategische Einbindung: Viele Talentmanagement-Ansätze scheitern, weil sie nicht ausreichend in die übergeordnete Unternehmensstrategie integriert sind.
  2. Mangelnde Führungskompetenz und Unterstützung: Das obere Management und Führungskräfte sind nicht aktiv eingebunden, oder Talentmanagement wird als reine HRAufgabe betrachtet.
  3. Unzureichende Anpassung an individuelle Bedürfnisse: Ein «One-size-fits-all»-Ansatz funktioniert selten, da die Karriereziele, Entwicklungsbedarfe und Motivationen der Mitarbeitenden unterschiedlich sind.
  4. Komplexität der Prozesse und Systeme: Wenn die Systeme nicht nutzerfreundlich sind oder zu viele administrative Aufgaben erfordern, neigen Mitarbeitende und Führungskräfte dazu, sie zu vermeiden.
  5. Kurzfristiger Fokus statt langfristige Entwicklung: Talentmanagement erfordert langfristiges Denken und Investitionen. Oftmals sind Unternehmen jedoch zu stark auf kurzfristige Ergebnisse fokussiert.
  6. Unzureichende Kommunikation und Einbindung der Mitarbeitenden: Wenn Talentmanagement-Initiativen nicht klar kommuniziert werden oder den Mitarbeitenden nicht der Mehrwert vermittelt wird, führt dies oft zu mangelnder Akzeptanz.

Ich bin der festen Überzeugung: Talentmanagement-Strategien haben ihre Daseinsberechtigung, müssen jedoch anders gedacht werden. Dazu gehören spannende und vielseitige Trainee-Programme für Einsteiger in Führungs- und Expertenfunktionen ebenso wie Regenbogen-Karriere-Konzepte für die Babyboomer-Generation.

Im Umkehrschluss zeigen die aufgeführten Gründe des Scheiterns auf, wie ein zeitgemässes und vor allem strategisches Talentmanagement aufgebaut werden kann, wenn man die entsprechenden Parameter berücksichtigt. Ein erfolgreiches Talentmanagement erfordert eine sorgfältige Planung und die Bereitschaft, sowohl in Systeme als auch in Menschen zu investieren. Es ist entscheidend, die potenziellen Barrieren mit einer Talentmanagement-Risikoanalyse frühzeitig zu identifizieren, wenn Strategien und Konzepte dazu entwickelt werden.

Alexander Beck ist HR-Transformationsspezialist. Als Geschäftsführer von Beck Human Resources Consulting berät er KMU und HRM-Abteilungen als Sparringspartner in ihrer Weiterentwicklung mit den Schwerpunkten Strategie- und Changemanagement. beck-hr.ch

 


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Bildquellen: INOLUTION und

Als Geschäftsleiter der INOLUTION unterstütze ich Unternehmen darin, die zukünftigen tragfähigen Werte und notwendigen Kompetenzen zu erkennen, zu definieren und sie auf den Weg dorthin zu befähigen. Als Brückenbauer zwischen Theorie und Praxis, Wissenschaft und Praktikabilität und mit der Erfahrung aus weit über 100 erfolgreichen Projekten unterstütze ich von ganzheitlichen Konzepten über praxisorientierte Lösungsimplementierung bis zu situativen Sparrings.

Denn ich bin der Überzeugung, dass das Kompetenz-und Performance-Management sowohl im operativen, als auch im strategischen Bereich das Potenzial noch lange nicht ausgeschöpft hat. Ich nenne das Kompetenz-Management 4.0 - kompetente Mitarbeitende heute, morgen und übermorgen.

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