Fünf zentrale Erkenntnisse im Kompetenzmanagement (Gastbeitrag)

Meine 5 zentralen Erkenntnisse zu Kompetenzmanagement

Dies ist ein Gastbeitrag von Kevin Schmid

In meiner Masterarbeit für das MAS Ausbildungsmanagement IAP befasste ich mich mit der Frage: Welche Kompetenzen braucht es in der Zukunft und wie gelingt es einem Unternehmen das Personal in Zeiten des Wandels effizient, nachhaltig und effektiv zu entwickeln? Was ich herausgefunden habe und was ich daraus ableite, möchte ich mit diesem Blog mit einem breiteren Publikum teilen und zur Diskussion stellen.

1. Drei Richtungen der Kompetenzforschung – Welche ist die richtige?

Das Wort Kompetenz (Englisch: „Skils“) ist in der Arbeitswelt geläufig. Doch wie verstehen es die Mitarbeitenden? Meine Erfahrung aus Gesprächen mit Mitarbeitenden zeigt eine bunte Vielfalt an Interpretationsspielraum. Wie sich in meiner MAS-Arbeit herausstellte, existieren unterschiedliche Forschungsrichtungen und Definitionen zu diesem Wort. Dies führ dazu, dass in Unternehmen oft nicht vom gleichen gesprochen wird. Aus diesem Grund braucht es eine allgemein gültige, interne Definition von Kompetenz, die für ein einheitliches Verständnis sorgt. Meine Recherchen deckten drei Richtungen der Kompetenzforschung auf, wobei keine Richtung der anderen gleicht.

  • Die Performance Richtung
  • Die kognitive Richtung
  • Die Persönlichkeitsrichtung

Welche ist die richtige? Dies muss jedes Unternehmen für sich entscheiden. Für mich enthält die Performance Richtung der grösste Nutzen für Unternehmen, denn diese spricht von Handlungskompetenzen, mit welchen die Performance der Mitarbeitenden langfristig erhöht werden kann. Handlungskompetenzen sind beobachtbar und können effizient trainiert werden. Dies ist für ein Kompetenzmanagement sowie für die Entwicklung von Mitarbeitenden von zentraler Bedeutung.

Es gibt bisher keine allgemein anerkannte Definition von Kompetenzen/Skills. Erpenbeck und Heyse formulierten meines Erachtens Definitionen, die für mich am meisten Sinn machen sowie für Klarheit und Transparenz sorgen. Aus jener Definition geht hervor, dass eine Kompetenz aus mehreren Teilen besteht. Die „Zutaten“ bestehen aus Wissen, Werte, Fähigkeiten, Erfahrungen sowie der Wille eines Menschen. Die persönlichen sowie die Werte des Unternehmens spielen dabei eine grosse Rolle, da sie einen Handlungsrahmen für Mitarbeitende bilden. Kreative Ideen bieten keinen Nutzen, ohne den nötigen Willen zur Handlung für dessen Umsetzung. Ebenfalls zentral ist bei Kompetenzen das selbstorganisierte Handeln, das auf den oben genannten „Zutaten“ aufbaut und mittels Kreativität in unüberschaubaren Situationen zukunftsoffen, zielorientiert zu sinnvollen Lösungen führt.

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2. Wie sieht die Zukunft in Unternehmen aus?

Die Halbwertzeit von Wissen schrumpft konstant. Die Digitalisierung und Innovation ersetzen oder vereinfachen bestehende Programme und Prozesse. Alle paar Minuten werden weltweit neue Erkenntnisse der Wissenschaft veröffentlicht. Somit verbreitet sich Wissen in rasanter Geschwindigkeit, steht im Internet für alle Interessierten zur Verfügung. Sich auf dem neusten Stand zu halten wird ein Ding der Unmöglichkeit. Wissen verliert an Bedeutung und wird nur noch bei Bedarf „on time“ abgerufen. Somit stirbt die Wissensgesellschaft bald aus. Sie könnte durch eine Wertegesellschaft ersetzt werden. Denn Werte bilden in dieser komplexer werdenden Welt genügend Orientierung, um Mitarbeitenden Eigenverantwortung abzugeben. Dieses Umfeld zu ignorieren können sich weder Unternehmen noch Arbeitnehmer leisten. Deshalb ist es nötig, dass sich Arbeitnehmer (wo sinnvoll) auf eine notwendige Agilität einstellen sollten. Die Generation „Baby Boomer“ hatte in der Regel einen Job bei einem Unternehmen für das ganze Berufsleben. Arbeitgeberwechsel kamen selten vor. Die aktuelle Arbeitswelt geht in eine ganz andere Richtung. Job-, Branchenwechsel, Umschulungen und weitere Arten von Veränderungen werden zur Normalität. Jobs sterben aus, während neue entstehen. Ohne Flexibilität und die Bereitschaft zur Veränderung, wird es nicht nur für Arbeitnehmende schwierig sich zu behaupten. Einer der Interviewpartner sagte mir: „Etwas ist klar: Die Entwicklung wird in Zukunft nie mehr so langsam sein wie heute“. Dies bedeutet, der Umgang mit Veränderung sollte zu den Grundkompetenzen eines Menschen gehören.

Ohne ein strukturiertes Kompetenzmanagement glich bisher die Vorbereitung von Mitarbeitenden auf die Zukunft einem Lotteriespiel. Aus Studien und Interviews bekam ich viele Inputs und Vermutungen zu welche Kompetenzen in der Zukunft von Mitarbeitenden verlangt werden. Um konkurrenzfähig zu bleiben und ihre Mitarbeitenden auf die Zukunft vorzubereiten, brauchen Unternehmen heute möglichst viel Zeit. Wäre die Entwicklung dieser Kompetenzen in 1-2 Tagen möglich, würde sich kein Führungsstab Sorgen über die Zukunft machen.

Menschen mit (Handlungs-)Kompetenzen haben das Rüstzeug zur selbstorganisierten, kreativen Bewältigung von unbekannten Aufgaben in der Zukunft. Folglich können diese Menschen die Zukunft mit offenen Armen und Zuversicht empfangen. Sie sind allzeit bereit, denn sie sind offen für Veränderungen und haben die nötigen Kompetenzen dafür. Mitarbeitende mit Handlungskompetenzen agieren proaktiv, eigenmächtig und suchen pragmatische Lösungen für die Zielerreichung. Wenn entsprechende Kompetenzen fehlen, sind häufig Angst, Resignation, Abwarten oder verweilen in der Opferrolle beobachtbar, was zu einer Handlungsunfähigkeit und grosser Unsicherheit unter den Mitarbeitenden führen kann. Eine Abwärtsspirale beginnt…

Auf die Frage was ein Kompetenzmanagement zukunftsfähig macht, fand ich im Blog von Andreas Mollet ausgezeichnete Anhaltspunkte. Dieser Blog-Artikel inspirierte mich dieses Thema in meiner MAS-Arbeit zu vertiefen.

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3. Welche Metakompetenzen braucht ein Mensch, um auf die Zukunft vorbereitet zu sein?

Durch meine Recherchen und Interviews stiess ich auf zahlreiche Kompetenzen bzw. Themen der Zukunft.

  • Einsatzbereitschaft
  • Teamfähigkeit
  • der Umgang mit Unvorhersehbarem
  • Spontanität
  • Flexibilität
  • Anpassungsfähigkeit
  • Neugier
  • die Fähigkeit Neues schnell lernen zu können
  • Mut
  • etc.

Sind dies wirklich Kompetenzen, oder sind es Persönlichkeitsmerkmale? Diese Unterscheidung ist nicht immer einfach. Doch die Unterscheidung dieser Forschungsrichtungen ist für Learning & Development ausschlaggebend, denn Kompetenzen können trainiert werden. Persönlichkeitseigenschaften können gemäss neusten Erkenntnissen auch trainiert werden, doch braucht diese Entwicklung viel mehr Zeit, Energie und Wille der Mitarbeitenden.

Wie können nun die zahlreichen Kompetenzen kategorisiert werden? Dafür fand ich Antworten bei der UNESCO. Bereits 1972 kündigte die UNESCO (im Faure-Bericht) das Konzept des Lebenslangen Lernen an. 1996 formulierte die UNESCO (im Delors-Bericht) einen Wegweiser für die zukünftige Bildung, in dem sie die vier Säulen der Bildung definierten, die auf dem Konzept des lebenslangen Lernens aufbauten. Diese entsprechen für mich den wichtigsten Metakompetenzen.

Ein Mensch ist auf die Zukunft vorbereitet, wenn er:

  • weiss, wie er sich neues Wissen aneignen,  (Fach- und Methodenkompetenz)
  • seine Ideen in die Tat umsetzen,  (Aktivitäts- und Handlungskompetenz)
  • mit anderen zusammenarbeiten kann  (Sozial-kommunikative Kompetenz)
  • und sich selber gut kennt.  (Selbstkompetenz)

Diese vier Metakompetenzen möchte ich durch eine fünfte ergänzen: In der heutigen vernetzten und komplexen Welt braucht es die Kompetenz ganzheitlich und vernetzt zu denken (Ganzheitliches Denken).

Die Auswahl der detaillierteren Kompetenzen ist ein sehr individueller Prozess, der auf ein Unternehmen, ihre Rollen und Aufgaben zugeschnitten werden soll. Geeignete Handlungskompetenzen können von möglichen Zukunftsszenarien abgeleitet werden. Dabei gilt es zu berücksichtigen, den Fokus auf Aufgaben und Rollen statt auf Funktionen zu legen. Dies kann eine strukturelle Änderung im Vorfeld erfordern.

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4. Was gilt es bei der Einführung eines Kompetenzmanagements zu beachten?

Mitarbeitende brauchen Transparenz und Sinn in der täglichen Arbeit, sowie in den Anforderungen an ihre Rolle(n) und Aufgabe(n). Sollen Kompetenzen (weiter-)entwickelt werden, braucht es ein gemeinsames Verständnis des Begriffs Kompetenz bzw. Handlungskompetenz. Zudem schafft ein Aufzeigen der Möglichkeiten und Grenzen eines Kompetenzmanagements sowie der Eigenanteil der persönlichen Entwicklung für die Zukunft zusätzliche Transparenz.

Ein Kompetenzmanagement sollte von Beginn an von der obersten Geschäftsleitung getragen, unterstützt und vorgelebt werden.

Eine prozessorientierte Mitarbeiterentwicklung braucht einen einfachen, strukturierten Prozess. Einerseits braucht es ein Zielbild (Sollbild). Andererseits sollten Mitarbeitende herausfinden können, wo sie aktuell stehen und welche Kompetenzen entwickelt werden könnten. Dafür dient eine Ist-Analyse. Die Differenz zwischen Soll und Ist bildet das Fundament für das Learning & Development Team, welches massgeschneiderte Bildungsangebote entwickelt, um Mitarbeitende zu entwickeln. Mittels einer visuellen Soll-/Ist-Analyse kann später im Prozess aufgezeigt werden, welche Fortschritte erzielt wurden. In einem eigenmotivierten Arbeitsumfeld legen Führungspersonen ihre kontrollierende, dirigierende Rolle ab und werden Prozessbegleiter und Coach für Ihr Team. Sie legen die Entwicklungsziele mit den Mitarbeitenden zusammen fest und stehend beratend zur Seite. In einem nicht hierarchisch strukturierten Team wird eine entsprechende Rolle mit dazugehörigen Aufgaben definiert, die von jemandem im Team mit den dafür nötigen Kompetenzen übernommen wird.

Ich bin heute überzeugt, dass es keine Unterscheidung zwischen Führungskompetenzen und Mitarbeiterkompetenzen braucht. Denn die oben genannten Metakompetenzen gelten für alle Menschen auf sämtlichen Hierarchiestufen. Sich neues Wissen anzueignen, Ideen in die Tat umzusetzen sowie der Umgang mit sich selbst und anderen Menschen ist etwas, was alle Mitarbeitenden angeht – mit unterschiedlicher Ausprägung je nach Rolle und Aufgaben. Im Kern geht es darum, dass Mitarbeitende mit bestimmten Kompetenzen dafür geeignete Rollen und Aufgaben übernehmen. Damit möchte ich nicht sagen, dass es keine Führungspersonen mehr braucht, sondern dass die Organisationsstruktur zum Unternehmen passen sollte. Führungspersonen übernehmen zukünftig andere Rollen und Aufgaben. F. Laloux stellte in seinem Buch Reinventing Organisations mögliche Organisationssturkturen vor. Daraus leite ich ab, je stärker die Komplexität eines Unternehmens ist, desto stärker sollte die Eigenverantwortung der Mitarbeitenden sein, desto weniger Hierarchie ist nötig. Aktuell bestehen sämtliche Organisationsmodelle von Laloux parallel.

Die aktuelle Organisationsstruktur sowie die Kultur beeinflussen den Erfolg eines zukunftsfähigen Kompetenzmanagements – deshalb ist grosse Rücksicht auf die gelebte Kultur zu nehmen. Peter Drucker sagte einst: „Culture eats strategy for breakfast“. Es gilt auch „culture supports strategy“ und „strategy follows culture“. Aus diesen Zitaten kann eine gegenseitige Abhängigkeit abgeleitet werden. Generell muss die Strategie durch die Kultur gehen, um Resultate zu erzielen. Dies gilt auch für das Kompetenzmanagement. Passt die Kultur nicht, verhindert es die angestrebte strategische Entwicklung, ohne die angestrebten Resultate zu erzielen. Die Bedeutung eines Kompetenzmanagements im Human Resources Management ist zentral, denn es bildet eine zentrale Lösung für die strategische Personalentwicklung in einem Unternehmen.

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5. Welche Rahmenbedingungen im Unternehmen sind förderlich?

Die Wirkung eines Kompetenzmanagements kann bei der Einführung durch bestimmte strukturelle und kulturelle Faktoren gefördert werden.

  • Mitarbeitende tragen Eigenverantwortung
  • Vorgesetzte lassen die Eigenverantwortung der Mitarbeitenden zu und bieten einen entsprechend offenen Rahmen
  • auch die Unternehmenskultur sollte im Grundsatz Entwicklung zulassen  Leistung = können / wollen / dürfen
  • ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP)
  • eine Lern-, Fehler- und offene Feedback-Kultur

Damit der persönliche Wille von Mitarbeitenden nicht durch lange Entscheidungswege erstickt wird, benötigt die Umsetzung eines leistungsorientierten, menschenorientierten Kompetenzmanagements einen strukturellen Rahmen, der von Vertrauen geprägt ist und den Mitarbeitenden den nötigen Freiraum lässt, ihre Wirksamkeit durch eigene Entscheide zu erfahren. Dies fördert die intrinsische Motivation der Mitarbeitenden enorm.

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Meine 5 zentralen Erkenntnisse

  1. Es gibt drei unterschiedliche Richtungen der Kompetenzforschung. Welche Richtung der Kompetenzforschung passt zum Unternehmen? Für eine gemeinsame Gesprächsbasis braucht es eine Definition von Kompetenz.
  2. Die Entwicklung ist nie mehr so langsam wie heute. Menschen mit (Handlungs-)Kompetenzen haben das Rüstzeug zur selbstorganisierten, kreativen Bewältigung von unbekannten Aufgaben in der Zukunft. Sie agieren proaktiv, eigenmächtig und suchen pragmatische Lösungen für die Zielerreichung.
  3. Die 4+1 Metakompetenzen: Fach- und Methodenkompetenz; Aktivitäts- und Handlungskompetenz; Sozial-kommunikative Kompetenz; Selbstkompetenz und meine Ergänzung: Ganzheitliches Denken.
  4. Die Unterscheidung zwischen Mitarbeitenden- und Führungskompetenzen ist obsolet.
  5. Die Struktur sowie die Kultur eines Unternehmens beeinflussen die Wirksamkeit eines Kompetenzmanagements, wobei geeignete Rahmenbedingungen die Umsetzung eines Kompetenzmanagements fördern können.

Ich bin überzeugt, dass Kompetenzmanagement die nötige Unterstützung bietet, um die Mitarbeitenden ideal auf die Zukunft vorzubereiten und damit Unternehmen langfristig erfolgreich sein können.

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  • Pixabay & INOLUTION
Kevin Schmid

Über Kevin Schmid

Kevin Schmid ist Senior Spezialist Personal- und Organisationsentwicklung bei Raiffeisen Schweiz in St. Gallen. Für Raiffeisen entwickelte er ein Kompetenz-Management für Beratende in drei Sprachen, welches die Kompetenzentwicklung von Beratenden strukturiert und nachhaltig fördert. Ausserdem verantwortet er die Weiterbildung der Privatkunden und Vermögensberater und beratet in strategischen Projekten als Learning Partner. Kevin Schmid ist eidg. dipl. Bankwirtschafter HF, Ausbildungsleiter mit eidg. Diplom und schloss im 2020 einen MAS in Ausbildungsmanagement IAP ab.
Kevin Schmid ist verfechter des Lebenslangen lernens, passionierter Entwickler, begeisterter Selbstentwickler und überzeugt vom Potential der Zukunft.

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