Kampf um Talente: Wie können Medienhäuser darauf reagieren? (Gastbeitrag)

Kampf um Talente

Dieser Beitrag ist zuerst erschienen auf konradweber.ch

Fachkompetenz, Soft Skills, lebenslanges Lernen: Selbst mit einer scheinbar sicheren Festanstellung stecken Mitarbeitende heute mehr denn je in einem ständigen Bewerbungsprozess um ihren eigenen Job.

Doch auch auf der Unternehmensseite hat der Druck zugenommen: Je spezialisierter die Jobs, desto schwieriger die Suche nach passenden Mitarbeiter:innen. Obwohl in der Medien- und Kommunikationsbranche noch immer eine grosse Nachfrage nach entsprechenden Stellen vorhanden ist, wurde vor allem bei Stellen mit spezifischer Fachexpertise der Konkurrenzkampf um passende Kandidat:innen ungleich härter.

Fachkräftemangel und Kompetenzaufbau als grösste Herausforderung

In einer repräsentativen Umfrage bei über 500 Fachkräften aus Marketing, Kommunikation und PR in Deutschland gab denn auch knapp die Hälfte (44%) der Befragten an, dass der Fachkräftemangel das zentrale Thema für 2022 ist. Viele offene Stellen können derzeit nicht besetzt werden. Die Situation hat sich während der letzten Pandemie-Monat zusehends verschärft. Dabei sei es sogar wichtiger, kompetentes Personal zu finden, als beispielsweise neue Umsatzkanäle zu erschliessen – so das Resultat der Umfrage.

Zu diesem Schluss kommt auch das Marktforschungsunternehmen Gartner, welches unlängst 500 HR-Führungskräfte in 60 Ländern zu ihren Prioritäten und Herausforderungen befragt hat. An erster Stelle wurde auch in dieser Untersuchung der Aufbau entscheidender Fähigkeiten und Kompetenzen genannt.

Schwierige Suche nach Talenten – auch in der Medienbranche

Journalismus ist (noch) immer ein Traumberuf. Hunderte von Bewerbungen für eine Festanstellung sind keine Seltenheit. Doch der hart umkämpfte Markt um Talente tritt auch in dieser Branche immer mehr zum Vorschein. Bei Stellenbesetzungen mit spezifischer Fachexpertise und abseits der urbanen Zentren wird dies besonders deutlich. Das zeigt auch eine Ende 2021 durchgeführte Auswertung des Reuters Institute zur Zuversicht, entsprechende Talente fürs eigene Unternehmen finden zu können.

Kommt hinzu: Die Pandemie-Monate haben das Konzept «Arbeit» bei vielen Menschen auf den Kopf gestellt. Plötzlich wurden die enormen Möglichkeiten an Freiheit, Flexibilität und finanzieller Unabhängigkeit für viele wichtiger, als ein klassischer 9-to-5-Job. Umso zentraler werden in der Mitarbeiter:innen-Rekrutierung immaterielle Anreize wie Selbstwirksamkeit, Flexibilität und emphatische Führung, um künftig Talente anziehen und halten zu können.

Zuversicht bei der Suche nach Talenten in der Medienbranche

Ausserdem ist die Arbeit mit dem Finden geeigneter Kandidat:innen längst nicht getan. Denn Leidenschaft oder Kreativität von Mitarbeitenden kann bekanntlich nicht gekauft werden. Geschweige denn der Sinn für strategische Ziele. Und doch sind das genau die Dinge, die Unternehmen heutzutage brauchen. Wie können Sie diese also aktivieren?

Mitarbeitermotivation

Quelle: Miikka Leinonen, Ghost Community

Jetzt beginnt der umso schwierigere Teil: Mitarbeitende müssen für ihre Kompetenzen gesehen, möglichst sinnvoll eingesetzt und entsprechend gefördert werden. Nur so entstehen die notwendige Verbindung, Leidenschaft und Selbstwirksamkeit, die wiederum umso stärker wirken als rein finanzielle Anreize. Leider sieht die Realität aber all zu oft genau gegenteilig aus: 45% der Kündigungen geschehen aufgrund fehlender Wertschätzung durch Vorgesetzte.

Kompetenzen im Unternehmen aufbauen – aber wie?

Andreas Mollet ist ein Vorreiter im Bereich des Kompetenzmanagements. Bereits seit 20 Jahren hilft er Unternehmen, kompetente Mitarbeitende in der passenden Rolle innerhalb ihrer Organisation einzusetzen.

Andreas Mollet ist überzeugt: «Nur wenn wir Mitarbeitende fördern, klare Ziele verfolgen und auf individuelle Stärken und Schwächen eingehen, wird das Handeln der jeweiligen Organisation nachhaltig.»

Im ausführlichen Interview erklärt Andreas Mollet, weshalb der Kampf um Talente in den letzten Monaten derart zugenommen hat, welche Tipps er Medien- und Kommunikationsunternehmen mitgeben kann und weshalb der Aufbau von Kompetenzen eine Top-Priorität jeder Führungskraft sein sollte.

Welche Kompetenzen sind aus deiner Sicht heutzutage essentiell, um in unserer schnelllebigen Welt bestehen zu können?

Andreas Mollet: Auch wenn diese von Unternehmen oder Branche stark variieren, gibt es einige Kompetenzen, die in der heutigen Zeit generell stark gefragt sind:

  • Selbstreflexion: eigene Stärken, Schwächen und vor allem auch Grenzen kennen.
  • Lernwille: eigenverantwortliches, kontinuierliches Lernen und «Verlernen».
  • Neugier: Mit Freude und Mut Neues ausprobieren, Fehler machen und weitermachen.

Alle sprechen vom Kampf um Talente. Weshalb hat die Suche nach spezifischer Fachexpertise in den vergangenen Jahren zugenommen?

Nicht nur Firmen sind heutzutage mobiler und überregionaler unterwegs, sondern auch Mitarbeitende. Zudem ist die beiderseitige Loyalität gesunken, der Arbeitsmarkt ist noch dynamischer und volatiler geworden.

«Karriereschritte sind immer noch häufig einfacher mit einem Stellenwechsel zu erreichen und viele Firmen investieren zu wenig in die Mitarbeiterbindung.»

Es ist aber auch ein gesellschaftliches Problem, so wird einerseits immer weniger in die Berufsbildung und das duale Bildungssystem investiert. Dies leider auch, weil es vor allem via digitale Plattformen viel mehr Möglichkeiten gibt, «fixfertige» Fachkräfte zu rekrutieren und nicht selber ausbilden zu müssen. Aber auch die Rahmenbedingungen für Teilzeit, Wiedereinstieg und Betreuungsmöglichkeiten sind nicht optimal. Das alles entzieht zusätzlich Fachkräfte.

Schlussendlich gibt es aber in jeder Branche immer ein paar Vorzeigeunternehmen, welche keine Probleme haben, geeignete, kompetente Mitarbeitende zu finden und zu halten. Daher ist das Problem nicht, dass es keine Fachkräfte gibt, sondern dass sie es vorziehen woanders zu arbeiten. Hier wäre eine kritische Selbstbetrachtung sinnvoll.

Wie definierst du aus deiner Sicht Kompetenzmanagement und weshalb ist es für Unternehmen heutzutage so wichtig?

Kompetenzen sind entscheidend für die Handlung einer Person. Alle Handlungen zusammen ergeben die Handlungen der Organisation. Entsprechend ist Kompetenzentwicklung auch Unternehmensentwicklung. Das bedeutet konkret: Aktuelle und zukünftige Herausforderungen zu erkennen, die richtigen Kompetenzen zu entwickeln und proaktiv anzugehen, um im Idealfall dem Markt einen Schritt oder eben einen Skill voraus zu sein.

Obwohl die Medien- und Kommunikationsbranche stark von den Kompetenzen der eigenen Mitarbeitenden abhängig ist, tun sich Unternehmen in diesem Sektor schwer mit dem Kompetenzmanagement. Was glaubst du, weshalb ist das so?

Ich würde das als generelles, branchenneutrales Problem bezeichnen. Der Grund liegt in der verzögerten Wirkung, denn fehlende Kompetenzen wirken sich nicht sofort aus, sondern akzentuieren sich erst später. Wer Trends verschläft, kann oft trotzdem noch von der vermeintlich sicheren Substanz leben, bevor es dann aber plötzlich zu spät ist.

Was rätst du Unternehmen in der Medien- und Kommunikationsbranche in Bezug auf das Kompetenzmanagement? 

Sich immer wieder klar zu machen, dass alle technischen, organisatorischen und unternehmerischen Veränderungen auch notwendige Anpassungen der eigenen Kompetenzen nach sich ziehen. Dazu braucht es aber kein gross angelegtes, strukturiertes und zentral gesteuertes Kompetenzmanagement. Vielmehr ist die Sensibiltät und Bereitschaft gefragt, Mitarbeitende laufend weiterentwickeln zu wollen. Dann ist man automatisch nahe am Puls der Zeit.

Wer verantwortet aus deiner Sicht das Thema Kompetenzmanagement innerhalb des Unternehmens?

Im Prinzip ist es Teil der Führungsverantwortung. Denn schlussendlich muss jede Führungskraft im eigenen Verantwortungsbereich sowohl operative Exzellenz sicherstellen, aber diesen auch für die Zukunft fit machen. Dem HR kommt dabei eine unterstützende und beratende Funktion zu. Aber gerade in schlanken Organisationen wird ein Teil der Kompetenzentwicklung auch durch die Mitarbeitenden selber verantwortet, während die Organisation lediglich die Rahmenbedingungen sicherstellt.

Viele Medienunternehmen befinden sich aktuell in einer Transformation. Welchen Tipp gibst du Organisationen in einem Veränderungsprozess mit: Kompetenzen von bestehenden Mitarbeitende weiterentwickeln oder neue Mitarbeitende mit entsprechenden Kompetenzen auf dem Arbeitsmarkt suchen?

Das hängt stark von der Art der Transformation ab. Falls es sich um ein klassisches Re- oder Upskilling vor allem für neue Fach- und Methodenkompetenzen handelt, dann ist eine strukturierte Personalentwicklung der effiziente und effektive Weg. Falls aber grössere Veränderungen im Bereich der Unternehmenskultur und der Werte angestrebt werden, so ist es wohl sinnvoll, neue Mitarbeitende mit diesen Werten und Kompetenzen ins Unternehmen zu holen, um die Transformation zu unterstützen, bzw. zu beschleunigen.

Fragen? Andere Beispiele?

Wie geht Ihr Unternehmen mit der Personalentwicklung um? Kennen Sie Organisationen, welche ein beispielhaftes Talent- und Kompetenzmanagement aufgebaut haben? Lassen Sie es mich gerne wissen, indem Sie die untenstehende Kommentar-Funktion nutzen oder mir auf einem anderen Kanal (siehe Autorenbox) eine Nachricht zukommen lassen. Ich freue mich!

Konrad

Über Konrad Weber

Sein Fachwissen durfte Konrad Weber während mehr als 13 Jahren Arbeitserfahrung in der Medienbranche aufbauen. Vom Startup bis zum Grossunternehmen war er stets als Brückenbauer zwischen Inhalt und Technologie tätig – vor seiner Zeit als selbständiger Berater als Digitalstratege bei Schweizer Radio und Fernsehen mit mehrjähriger Erfahrung in Projektleitung und Strategieentwicklung. Agilität und Kundenorientierung sind für ihn nicht nur moderne Schlagworte, sondern seit Jahren ein wichtiger Bestandteil seiner Arbeit. Als Strategieberater, Coach und Dozent setzt er sich für lebenslanges Lernen ein – geprägt durch seine eigenen Ausbildungen an der d.school des Hasso Plattner Instituts und bei Hyper Island.

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